An der Stelle, an der seine Hand lag, breitete sich eine angenehme Wärme aus, so wie immer wenn er mich berührte. Ich liess mir davon aber nichts anmerken, immerhin waren wir beide im Dienst und konnten von den anderen Soldaten gesehen werden. "Ja, das hat sie. Auch wenn ich es anfangs ein wenig bereut habe, dich mitgenommen zu haben. Aber es war doch das Beste, was ich hätte tun können", gab ich zu, den Blick immer noch auf das Haus gerichtet. "Ich hoffe es auch", erwiderte ich nachdenklich. "Immerhin..." Ich brach ab, überlegte einen Moment und fuhr dann fort. "Dieses Haus gehörte eigentlich der Familie meiner Mutter. Sie hat hier auch gelebt, mit meinen beiden Brüdern." Dass sie bei meiner Geburt gestorben war erwähnte ich nicht. "Ach ja. Der fünfte Stock wird wieder nach meinem Geschmack eingerichtet! Ich mag Labyrinthe", grinste ich verschmitzt, hatte aber mahnend einen Zeigefinger gehoben damit er merkte, dass mir meine Worte trotzdem ernst waren.

"Sieh es als neue Herausforderung", lachte ich und konnte es mir beinahe bildlich vorstellen, wie er dort oben durch die Gänge irrte. Seinen Blick erwiderte ich nun wieder ernst und hörte ihm schweigend zu, bevor ich direkt in den Himmel sah. "Ich hoffe es. Immerhin bin ich Schuld an ihrem Tod, also verachtet sie mich vielleicht auch. Aber viel machen kann sie nicht", zuckte ich leicht mit den Schultern, damit war dieses Thema für mich beendet. Den Gedanken der Schuld würde Gin mir vermutlich niemals austreiben können, zu tief hatte er sich eingebrannt durch die Behandlungen und Worte meines sogenannten Vaters. Bei seiner Anmerkung nickte ich nur und hätte mich am liebsten an ihn gelehnt, liess es aber bleiben. Mir war klar, wir würden einige Wochen hier bleiben, aber das fand ich jetzt nicht mehr sonderlich schlimm. Ich freute mich sogar fast darauf, Gin hier ein wenig herumzuführen oder mitzuhelfen. Denn dass ich tatenlos danebenstehen würde kam für mich gar nicht in Frage. So versunken in meine Gedanken hörte ich gar nicht, wie mein Magen leise nach Aufmerksamkeit verlangte, hatte ich doch seit gestern Abend nichts mehr gegessen.

"Hm?", sah ich auf. Ich hatte den Anfang nicht gehört, sondern bekam jetzt nur sein Kichern mit. Dafür bekam ich aber seine nächsten Worte mit, auf die ich aber nicht mehr antwortete. Das würde nur in einer endlosen Diskussion enden, und darauf hatte ich keine Lust. Bei seiner Frage horchte ich dann aber auf und bekam erst jetzt mit, dass ich hungrig war. "Das ist nett von ihm und eine gute Idee von dir", grinste ich und drehte der Villa den Rücken zu. Dann lief ich einfach los, vertraute darauf dass Gin schon folgen würde und betrat schliesslich wieder das Marineschiff.

--> Gin Ichimarus Marineschiff

Ich warf einen kurzen Blick zum Schiff zurück, auf dem die Soldaten nun wieder Stellung bezogen, dann zog ich mich schnell zurück und sah frech grinsend zu ihm auf. "Also, wohin jetzt? Ich könnte den Wald oder die Stadt anbieten", fragte ich und lief einfach mal los, kehrte der Villa dabei den Rücken zu. Klar, ich hatte mit allem abgeschlossen, aber deshalb musste ich ja von nun an nicht jede Sekunde dort drin verbringen. Meine Füsse folgten automatisch einem Weg, der eigentlich kaum zu erkennen, mir aber sehr vertraut war, weshalb ich ihn immer finden würde.

Bei seinen Worten musste ich wieder kichern und bog nun ab, da ich bereits einen Ort vor Augen hatte, an den ich Gin führen wollte. Ich wusste nicht, wie lange wir unterwegs waren. Im Wald herrschte eigentlich immer das selbe Dämmerlicht, jedenfalls tagsüber, wodurch es nahezu unmöglich war, die Uhrzeit abzuschätzen. Dennoch hatte ich keine Zweifel, dass ich mich verlaufen würde, ich war diesen Weg so oft gelaufen, hatte an diesem Ort so oft Zuflucht gesucht oder einfach die Zeit genossen. Schliesslich erreichten wir ihn.
Es war eine Lichtung. Am Rand wuchs eine ganz spezielle Art von Baum, die sich nur ein wenig von anderen Bäumen unterschied. "Die Bäume hier solltest du nicht berühren", riet ich Gin leise und schlängelte mich zwischen ihnen hindurch, bis ich schliesslich auf die Lichtung trat. Sie war ziemlich abgelegen, man hörte weder Geräusche vom Meer, noch von der Stadt oder der Villa. Ein schmaler Bach floss quer über diese, teilte damit ein Drittel ab. Dieses Drittel war nur spärlich bewachsen und beherbergte viele Steine, wohingegen die andere Seite des Baches, die zwei Drittel die übrig blieben, von einer saftigen Wiese bedeckt wurden. Diese war sehr weich, mehrmals war ich hier eingeschlafen.
"Da wären wir", lächelte ich, ohne mich zu Gin umzudrehen, genoss es mit geschlossenen Augen, wieder hier zu sein und atemte tief durch.

"Ja, nicht wahr? Das hier ist der einzige Ort, den ich schon immer auf Poliana mochte", gab ich zu und liess die ruhige Atmosphäre noch einen Moment wirken, drehte mich dann zu ihm um und bemerkte ein wenig überrascht, dass er bereits auf der Wiese sass. Dieses Grinsen, mit dem er mich ansah, es liess mich misstrauisch werden. Ich wusste, er wollte mich immer noch bestrafen, aber dennoch nickte ich und nahm neben ihm platz. Ich vertraute ihm, er würde nichts machen, was mir nicht gefiel, und das bedeutete, er konnte so ziemlich alles mit mir anstellen. Mein Katana band ich los und legte es neben mich, so konnte es mich auf keinen Fall behindern.


--> FSK

Ich seufzte leise und schmiegte meinen Kopf leicht in seine Hand. Das liebte ich am meisten an Gin. Er konnte so brutal sein, aber im nächsten Moment wieder so sanft. Seine Worte liessen mich breit grinsen. "Dann wirst du aber viel Arbeit haben", flüsterte ich, dieses Mal aber ohne Frechheit. Es war eine Tatsache und keine Provokation. Danach blieb auch ich still und genoss noch einen Moment die Ruhe. Ich lag vollkommen entspannt auf Gin und liess mich von der Sonne bescheinen, die auf uns herabschien. Dass das Knacken dabei immer näher kam, beachtete ich nicht sonderlich, ich war mir sicher, hier in Sicherheit zu sein.
Dann, ohne jede Vorwarnung schlug ich die Augen auf und spannte mich für einen Moment an, was schmerzfrei blieb. Als ich aber zu meinem Katana greifen wollte, das ein wenig von mir entfernt lag, spürte ich auf einmal alle Striemen und hielt inne. Dann verdunkelte der Himmel sich über uns auch schon und etwas landete mit einem lauten Krachen auf der anderen Seite des Baches. Wasser und Steine flogen durch die Luft. Als sich alles wieder gelegt hatte, erkannte ich ein Tier, dass an einen grossen Tiger erinnerte. Doch scheinbar verfügte er über eine gewaltige Sprungkraft, wenn er über die Bäume drüberspringen konnte. "Verdammt", flüsterte ich leise, denn bei dem Kampf würde ich keine Hilfe sein, dazu war ich viel zu erschöpft. In Kombination mit den Schmerzen, keine Chance. Denn dass es einen Kampf geben würde, das war klar, das verriet der Tiger mit seiner Haltung. Er war leicht geduckt und knurrte uns bedrohlich an.